Die Walliser Konzerthäuser servieren dir auch in der neuen Saison 2024/2025 wieder ein wahnsinns Programm! Sie bieten dir eine Reise durch die verschiedensten Musikstile mit einer atemberaubenden...
Der Vermittler
Es ist kein Novembermorgen wie all die anderen. Wir warten auf den Musiker Pascal Viglino im Café d’Octodure. Über den Bildschirm flimmern in schneller Folge Bilder der tragischen Ereignisse, die Paris erschüttert haben. Pascal Viglino kommt auf uns zu, berührt von den Geschehnissen und in Gedanken versunken. Wir sprechen ein bisschen über Musik und versuchen uns auf das zu konzentrieren, was eigentlich Grund des Treffens sein sollte: der Förderpreis des Staates Wallis, den er am Vorabend erhalten hat.
Es ist schön das Herbstlicht und das Leben geht weiter. Wir entscheiden uns dafür, ein paar schräge Fotos zu machen. Wir steigen ins Auto, verlassen Martigny und fahren ein paar Kurven den Berg hinauf. Oben angekommen rollt Pascal Viglino einen roten Teppich aus, stellt einen weissen Tisch mit seinen Muh-Dosen darauf. Die Klangerzeugungsinstrumente, als Spielzeug oder Souvenir bekannt, sind die Instrumente des Spektakels «Per Ënkyé». Der Ausdruck, der aus dem Savièser Patois stammt und übersetzt so viel heisst wie «Hier herum» passt bestens zu den grünen Wiesen und den weidenden Kühen darauf.
Pascal Viglino meint bescheiden, dass ein Förderpreis nicht eine Krönung darstelle. Aber der Preis würde ihn in seiner konsequenten künstlerischen Richtung bestätigen. Der Musiker sieht in der Kunst einen Ausgangspunkt der Intuition, von etwas, das noch gar nicht existiert. Konkret erklärt er das mit einem Beispiel aus der Küche. Will ein Käser einen Käse mit einem neuen Geschmack entwickeln, muss er sich auf seine Intuition verlassen. Ein Musiker macht genau dasselbe, wenn es darum geht Neues zu kreieren.
Er erwähnt Kafka und betont seine Forschernatur. «Der Künstler ist ein Nomade auf einer Düne, ein Späher, der nach den Zeichen eines Sturms über der Oase Ausschau hält. Ein Förderpreis ist kein Lohn für einen Revolutionär, aber er zeichnet die künstlerische Richtung eines Andersdenkenden aus.»
Im Rahmen der 200-Jahr-Feierlichkeiten des Walliser Beitritts zur Eidgenossenschaft hat Pascal Viglino die Kreation «XiViX, op. 1515 Pour Mannequins et Ensemble» geschaffen. Der Künstler geht vom Prinzip aus, dass es immer etwas gibt, das man nicht versteht. Sein Ziel ist es, zuerst zu verstehen wie anders andere denken, bevor es darum geht alles zu begreifen. Die Aktualität gibt ihm Recht. Er vermutet, dass Aussenstehende nicht versteht, warum er für seine Arbeit eine Anerkennung des Staates erhalten hat. Viele würden denken, dass seine Werke sich wirtschaftlich nicht rentieren. Aber für ihn gibt es einen Unterschied zwischen dem Resultat, das sich äusseren Bedingungen fügt und dem Prozess. Der Prozess geschieht unterschwellig und ist nicht greifbar, aber er ermöglicht die Avantgarde. Für einen Künstler ist es eine Herausforderung an die Wichtigkeit der unsichtbaren, unverzichtbaren Kräfte zu glauben. Er hält sich an einen Satz fest, den man ihm vielleicht eines Tages sagen wird «Du vermittelst».
Pascal Viglino hat mehr denn je Lust, sich mit dem Thema Folklore zu beschäftigen. Einerseits wegen der künstlerischen Aspekte und andererseits um sie zu schützen. «XiViX» ist ein gutes Beispiel dazu, denn es beschäftigt sich sowohl mit der Fashion Week, als auch mit Trachten. Alle Kreativen lassen sich von Traditionen inspirieren, seien das nun asiatische oder afrikanische. Egal wie, aber es handelt sich um eine Weitergabe, eine Vermittlung. Das Projekt «XiViX» war ein regelrechtes Labor aus verrückten Ideen. Rund vierzig Personen waren darin involviert und entsprechend viele Missverständnisse gab es denn auch. Am Schluss hat jedoch alles funktioniert.
Pascal Viglino wünscht sich, dass er seine Spielfreude weiterhin behält. Er will Musiker sein und nicht künstlerischer Direktor. «Ich habe letzte Woche die 9. Sinfonie von Beethoven gespielt… das war toll!» Er träumt davon, ein Orchester zu gründen und im Konzertsaal der Fondation Gianadda zu spielen, um etwas von dem zurückzugeben, das er erhalten hat. Er möchte auch noch eine Folkloregruppe aufbauen. Der Musiker erinnert sich gerne an die verrückte Zeit, in der er am TedX in Martinach teilgenommen hat und wo sich Entwickler und Promotoren von morgen begegneten. Gerne möchte er auch noch im Bereich Design arbeiten und Produkte von guter visueller und akustischer Qualität entwickeln. Er will vermitteln, immer wieder.
Erschienen: Dezember 2015
Text: Marlène Mauris
Fotos: © Valérie Giger