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Von der Leichtigkeit des Echten
Seien wir ehrlich. Wenn man Walliser Künstlerinnen der Bildenden Kunst aufzählen soll, fällt einem der Name Eva-Maria Pfaffen nicht als erster ein. Warum eigentlich?
Sanftes Licht fällt direkt vom Himmel durch hohe Fenster ins Luzerner Atelier von Eva-Maria Pfaffen. Von der Decke hängende Papierstreifen bewegen sich geräuschlos im Luftzug. Dicht aneinandergereiht warten organisch geformte Objekte auf ihr Sichtbarwerden in der anstehenden Ausstellung in Wil. Viel Weiss, Leichtes und Durchschimmerndes. Mittendrin die Künstlerin Eva-Maria Pfaffen in bunten Kleidern. Nicht der einzige wahrzunehmende Kontrast. Den fragilen Kunstwerken steht eine Frau gegenüber, der man zutraut, dass sie jeden Moment die Ärmel hochkrempelt, um irgendwo anzupacken. Das lässt sie heute natürlich bleiben. Denn wir wollen reden. Reden über ihren Werdegang, ihre Kunst und nicht zuletzt über ihre Wurzeln.
Eva-Maria Pfaffen ist in Ausserberg aufgewachsen. Ihre Eltern führten einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb im Nebenerwerb. Die als Kind gesammelten Wahrnehmungen und sinnlichen Erfahrungen manifestieren sich noch heute in ihrer Kunst. Das Ursprüngliche, das Echte beschäftigt sie. Sie rettet das Atmosphärische aus der Vergangenheit in die Neuzeit. Lässt es weiterbestehen als Ahnung, als Sehnsucht vielleicht. Nur noch Spuren dieser Erlebnisse tauchen in ihrem Schaffen auf. „In meinen Arbeiten findet man keine Objekte des ländlichen Arbeitens“, erklärt die 54-Jährige. Den Betrachtern ihrer Werke bietet sie Abdrücke davon oder Materialien, die im bäuerlichen Leben nur eine Nebenrolle gespielt haben. Fernab des Landliebe-Kitschs macht sie eine Verbindung zwischen den Welten und Zeiten. Transportiert Verblichenes, bedeutungslos Gewordenes in eine Zeit, in der das Echte rar geworden ist zwischen all dem Austauschbaren. Irgendwie ist sie immer noch am „Hirtu“, indem sie ihre Eindrücke bewirtschaftet und zusieht, dass sie sich weiterentwickeln.
Eva-Maria Pfaffen spricht in einfachen, klaren Sätzen über ihre Kunst. Als Gesprächspartnerin hegt man keinen Zweifel darüber, dass dem so präzisen Benennen der Dinge eine lange Zeit der Gedankenschärfung vorausgegangen sein muss.
Ihre Werke sind nicht für die Ewigkeit bestimmt. Sie hortet nicht. „Meistens schaffe ich Installationen für einen begrenzten Zeitraum, für einen definierten Ort“, sagt die Künstlerin. Die Arbeiten „Gletschermilch“ und „Laufender Hund“ in der Twingi-Schlucht im Rahmen der LandArt sind so entstanden. Die 80 Erd-Gugelhöpfe im Alten Werkhof in Brig ebenfalls. In der Kornschütte in Luzern hat sie für die Ausstellung „mehlweiss & strohgelb“ 1800 offene Getreidesäcke installiert und mit Halmen aus Walliser Roggenstroh eine Konstruktion gebaut, deren Grundriss die bestehenden Bodenplatten des Raumes aufnahm. Mit ihrer Sensibilität für Räume und Örtlichkeiten entwickelt sie massgeschneiderte Kunst. Werke, die Vergänglichkeit atmen. Feinsinniges für den Moment. Verkaufen lässt sich das kaum. Eva-Maria Pfaffen sieht das nicht nur als Nachteil. Ein Teilzeitpensum als Dozentin an der Kunsthochschule Luzern ermöglicht es ihr, das Kunstschaffen freier anzugehen. „Dadurch muss ich nicht mit hohen Verkaufszahlen liebäugeln und kann meine Ideen entwickeln ohne mein Schaffen einem bestehenden Markt unterzuordnen.“ Das Publikum hingegen bleibt wichtig für sie. „Wer Kunst macht, will gesehen werden und bei den Betrachtern etwas auslösen.“
Bei so viel Wallis-Bezug in ihrem Schaffen stellt sich die Frage, warum die Wahl-Luzernerin nicht in ihrer alten Heimat geblieben ist. Die Künstlerin winkt ab. „Für mich war es wichtig, Ausserberg zu verlassen. Wäre ich geblieben, wäre ich nie Künstlerin geworden. Es brauchte den räumlichen Abstand, unbedingt“, ist sie überzeugt. Durch den Wegzug und ihr Abseitsstehen hat sie einen anderen Zugang zu ihren Wurzeln gefunden und sich einer echten Auseinandersetzung gestellt. Mit ihrer Kunst hat sie sich für die Weitergabe des Feuers entschieden und nicht für die Anbetung der Asche. Ein Gedankenanstoss, der dem Umgang mit Traditionen gut anstünde – auch im Wallis.
Erschienen: Juli 2018
Text: Nathalie Benelli
Fotos: © Christian Pfammatter