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Ausserhalb des Kreises
Es gibt keinen Zweifel daran, dass Ambroise HéritIer ein Ästhet ist. Ein Ästhet des Herzens und des Geistes. Nach seiner Meinung ist Einsamkeit für kreatives Schaffen unabdingbar. Um Neues zu schaffen, zieht er sich in sein Atelier im Dachgeschoss seines Hauses zurück. Sobald ein Zyklus abgeschlossen ist, mag er es, sich in den kosmopolitanen Tumult der Städte zu begeben, sich aufzumachen zu neuen Horizonten und sich von den dort angesiedelten Geschichten inspirieren zu lassen. Die Stille und die Aufgeregtheiten der Welt sind zwei Konstante in seinem Leben. Zwei Pole zwischen denen er sich bewegt.
Ambroise Héritier malt, illustriert, zeichnet und fotografiert. Er schafft sowohl eigene wie auch Auftragswerke. Seine Bilder und Fotos verströmen Melancholie. Er schaut gerne aus den Fenstern von Zügen oder Autos und erfasst die Landschaft, die an ihm vorbeizieht – verschwommen, nostalgisch; wie die Zeit, die unaufhaltsam vergeht. Der Tod ist nie weit weg. Seine Werke werfen Fragen auf, regen zum Denken an, liefern aber keine Erklärungen. Ambroise Héritier mag es, wenn sich Betrachter seinen Bildern nähern, davor verweilen, in dieses Universum eintauchen und ihre eigenen Geschichten darin finden. Das ist bestimmt der Fall, wenn sie sich mit seinen surreal anmutenden « petits tableaux de nuit » beschäftigen. Fantasie, Traum, Wirklichkeit und Verrücktheit, die uns manchmal im Alltag fehlt, vermischen sich in seinen Bildern.
Hinter seinen mysteriösen, nostalgischen Figuren verbirgt sich ein tiefsinniger, sensibler und berührender Künstler, der findet, die Kunst sollte einen anderen Blick auf unsere Gesellschaft ermöglichen. „ Eine gesunde Gesellschaft ist eine Gesellschaft, die einen Blick auf sich selbst erlaubt.“ Um das zu erläutern, benutzt er das Beispiel der Schamanen, die sich in einem grossen Kreis ausserhalb der Tipis mit ihrem Häuptling zusammensetzen, um dann ihr Volk mit Weisheit zu beraten und zu führen. „Ein Künstler sollte eine ähnliche Rolle spielen wie die Schamanen. Er sollte ein bisschen Abstand gewinnen und beobachten ohne ein sofortiges Resultat zu erwarten. Es gilt, die Welt aus einer anderen Perspektive zu betrachten, um sie besser zu verstehen. Dann erst kann man ein Bild vermitteln, durch das eine Gesellschaft sich selber besser kennen lernen kann.“
Nach seiner akademischen Ausbildung in Belgien legte Ambroise Héritier seine Stifte, Federn und Malutensilien erst einmal beiseite und begab sich in die Welt der Reben und des Weins, um Distanz von dem zu dem zu gewinnen, das er seit seiner Kindheit tat: dem Zeichnen. Sein Weinbau-Abenteuer führte ihn in die Kellereien von Kalifornien. Es ging ihm darum, seine Bestimmung als Zeichner und forschender Betrachter, der nicht wertet, zu bestätigen. Ohne Zweifel ist Ambroise Héritier geboren, um zu zeichnen und wahrscheinlich wird er mit einem Fotoapparat in den Händen sterben. Die Leidenschaft siegte über die Vernunft. Eine Leidenschaft, die spürbar ist, auch während er erzählt. Als Zuhörer kann man nicht anders, als schweigend und staunend den Worten zu lauschen, mit denen er seine Welt beschreibt.
Ambroise Héritier kam vor Kurzem aus einem längeren Aufenthalt in Paris zurück. Er hat dort zusammen mit anderen Künstlern aus der Pariser Szene seine Gravur-Kenntnisse im Atelier von Bo Halbirk vertieft. Neben seinen Auftragsarbeiten beschäftigt er sich zurzeit mit den Vorbereitungen einer Ausstellung und der Arbeit an zwei Kinderbüchern.
Kontakt
Ambroise Héritier
Granois
CH-1965 Savièse
ambroiseh@lycos.com
Erschienen: Februar 2016
Text: Sophie Michaud
Fotos: © David Zehnder