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«Hotel Philippoz»
Es ist ein heisser, sonniger Tag. Die Sitze und das Steuerrad unseres Wagens sind glühend heiss. Wir sind froh auszusteigen und scheuen uns jetzt schon vor dem Gedanken, wieder in dieses Vehikel zu steigen und ins Tal zurückkehren zu müssen. Eric Philippoz wohnt in den Bergen. Genauer gesagt im kleinen Dorf Luc der Gemeinde Ayent 1000 Meter über Meer. Hier lebt und arbeitet der junge Künstler, der sich vorwiegend mit der visuellen Kunst beschäftigt. Auf Wäscheleinen vor dem Haus, die zweifelsohne aus einer anderen Epoche stammen, trocknen Leintücher. An der Fassade im Westen prangt der Schriftzug «Hôtel Phillipoz». Er nimmt schon etwas von der Gastfreundschaft vornweg, die wir hier antreffen werden.
«Gute Nacht! Ich schliesse jetzt das Hotel!», pflegte jeweils seine Grossmutter zu sagen. Nicht an zahlende Gäste richtete sie diese Worte, sondern an Familienmitglieder. Eric mag es, Geschichten über seine Grossmutter Esther zu erzählen. Eine Frau, die gerne sang, lachte und frei von der Leber weg sagte, was sie dachte. Eric hatte soeben seinen Bachelor in Visuellen Künsten im HEAD in Genf absolviert und den Master im l’ArtEZ Dutch Art Institute in den Niederlanden erhalten, als seine Grossmutter starb. Er übernahm ihr Haus, renovierte es und trieb sein Projekt «Hôtel Phillipoz» voran. Er wandelte das Haus in einen Ort der Übergänge, Begegnungen und der Erinnerungen um. Es wurde zu einer Stätte der Gastfreundschaft. «Wie kann man mit Erinnerungen umgehen? Was lassen wir hinter uns? Was nehmen wir mit? Das ‹Hotelprojekt› erlaubte mir, mich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Er organisierte drei Künstlerresidenzen in seinem «Hotel», denn Eric Philoppoz mag es, von Künstler/innen umgeben zu sein, seinen kreativen Horizont zu erweitern und die Welt in seinem Zuhause willkommen zu heissen.
Seine Werke sind Zeugen seiner grossen Sensibilität. «Sensibel? Ja, das bin ich sicher. Mein Kunstschaffen erlaubt mir, diese Seite von mir zuzulassen. Sie ist längst ein Werkzeug für meine Arbeit geworden.» Wie schon seine Grossmutter ist auch Eric Philippoz eine ehrliche Haut. Im Leben und in seinen Werken. Sein Schaffen wurde von verschiedenen Seiten anerkannt oder unterstützt. So zum Beispiel von der Stiftung BEA im Wallis, der Stiftung Engelberts in Genf, vom Atelier Tremplin der Ferme-Asile in Sitten, vom Staat Wallis durch das Dispositiv ArtPro und er erhielt den Manor Kulturpreis. Der junge Künstler lässt sich vom Leben inspirieren und teilt seine Emotionen, indem er uns in sein Universum aus Zeichnungen oder Wörtern einlädt. Er teilt seine Reflexionen, Ideen und auch Enttäuschungen mit den Betrachtern oder Zuhörern. In seinem Buch «Livret de service» schreibt er: Ich hasse den Satz: «Die Schweiz ist viel weiter entwickelt als unser Land.» Das Buch «Livret de service» hat er während seiner Masterarbeit in den Niederlanden geschrieben und darin verarbeitet er seine Erfahrungen in Urucarà während seinem Zivildienst. Er schreibt mit leichter Hand, seine Texte sind angenehm zu lesen. Mann lässt sich auf seine Texte ein, voll und ganz, ohne genau zu wissen, wohin sie einen führen werden.
Der Künstler scheint die Wörter genauso zu lieben wie die Farben und er interessiert sich für Menschen. Diese Eigenschaften haben vielleicht dazu beigetragen, dass er den Prix Premio 2017 gewonnen hat. Den Nachwuchspreis für Theater und Tanz. Sie haben richtig gelesen – für Theater und Tanz. «Nach mehreren Jahren der Freiwilligenarbeit im «théatre les halles» in Siders, hat mich der Direktor Alexandre Doublet gebeten, ihm zu zeigen, was ich so mache. Ich erzählte ihm von meiner Arbeit, die auf der Grundlage von mehreren Gesprächen mit meiner Nachbarin basierte. Die aussergewöhnliche Frau pendelt zwischen Ayent und Genf. Ich war dabei einen Monolog fürs Theater zu schreiben. Inspiriert durch das Leben dieser Frau und die Begegnung mit ihr. Die Idee gefiel Alexandre Doublet so gut, dass er das Stück für die kommende Saison programmierte und er motivierte mich am Wettbewerb Premio mitzumachen. Das zeigt, dass vieles im Leben möglich ist.» Da er kein Schauspieler ist, verzichtet Eric Philippoz selber im Stück mitzuspielen. Er hat dort die Funktion des Visuellen Künstlers, der die Interpretation eines Textes vorschlägt. Auch hier umgibt er sich mit kompetenten Fachleuten, die ihm das Feld so weit als möglich öffnen. Mit dem Preisgeld des Wettbwerbs Premio wird er vor allem Löhne zahlen. «Ich sollte vielleicht mehr Zugeständnisse machen, um Produktionen oder Werke zu verkaufen. Oder Lebensmittel als Entgelt akzeptieren. Aber ich bin kein guter Stratege», sagt er augenzwinkernd und herzhaft lachend. Heute ist ein besonderer Tag, warm und sonnig.
Erschienen: August 2017
Text: Sophie Michaud
Fotos: © Nadia Tarra