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Brückenbauer zwischen Halbinseln
Manchmal sind sie rockig, manchmal à la Chanson française, aber meistens sind sie schräg und unkonventionell, die vier Musiker, die sich eines fünften erinnern. Ihre Lieder berühren, treffen ins Innerste, spielen mit Klischees, um sie dann sogleich aufzubrechen. Charlotte Parfois nahmen ihre erste CD im Jahr 2006 auf. Vier Tonspeicher, einige Jahre und viele Konzerte später, erhalten sie einen Freipass des Théâtre Les Halles in Siders. Dort kann man im November 2015 entdecken, was sie damit anstellen.
Patrick Fellay singt bei Charlotte Parfois. Und manchmal, antwortet er auf Fragen, obwohl die Musik selbst bereits viel aussagt. Das Théâtre Les Halles in Siders, ermöglicht es Charlotte Parfois, an vier Abenden der kommenden Saison, das Publikum zu überraschen. Für Patrick Fellay ist es klar, dass die Gruppe mit einem Konzert und nicht mit einem Theater auf der Bühne stehen wird. Im Normalfall müssen sich Bands sehr rasch mit den Gegebenheiten eines Lokals abfinden. Die Musiker machen einige Soundchecks und schon geht es los. Das Théâtre Les Halles bietet Charlotte Parfois hingegen die Möglichkeit, auf die Besonderheiten der Örtlichkeit einzugehen und einen eigenen Zugang dazu zu finden. Es ist eine Einladung, den Raum zu beleben und zu bewohnen.
Charlotte Parfois mögen es Unplugged. Beim geplanten Konzert werden sie nur mit akustischen Instrumenten auf der Bühne stehen. Das bedeutet, dass sich alle Musiker der Stimme des Sängers unterordnen werden. Die Musiker werden jedoch nicht, wie sonst bei Konzerten üblich, auf der Bühne stehen, während das Publikum seinen Platz im Saal einnimmt. Die Zuhörer sind aufgefordert, den Raum mit der Band zu teilen. Sie können sich frei zwischen den Musikern bewegen und ihnen aus der Nähe zuhören. Wenn sie das möchten, versteht sich. Ansonsten können sie auch an der Bar ein Bier trinken.
„Die Schwierigkeit bei einem Pop- oder Chanson-Konzert besteht darin, von einem Podium aus die Leute im Saal, die dir mehr oder weniger zuhören, mitzureissen. Diese Schranken möchten wir für einmal aufheben und das Publikum zu uns auf die Bühne holen. Ich liebe die Musik, aber manchmal bin ich genervt von den Sängern. Wenn ein Besucher nur dem Gitarristen zuhören will, kann er sich neben ihn hinstellen und ihm zuhören. Wenn er dann genug gehört hat, kann er seine Position verändern“, erklärt Fellay den Ablauf. Die Band wird für die November-Konzerte Verstärkung durch ein Streichorchester und den Schauspieler Roland Vouilloz erhalten.
Eines der ungeschriebenen Gesetze von Charlotte Parfois lautet, dass derjenige, der einen Song schreibt, diesen auch singt. Patrick Fellay hat viele Lieder geschrieben. "Um ein Lied zu schreiben, muss man die Linien schärfen und manchmal sogar übertreiben, damit das Wesen und die Bedeutung einer Geschichte sichtbar wird. Gefühle darf man nicht verwässern – im Gegenteil. Alles was ich erlebe, wird Teil meiner Lieder. Das macht meine Freunde manchmal misstrauisch. Wenn sie mir etwas Vertrauliches mitteilen, bitten sie mich inzwischen darum, daraus keinen Song zu machen.“
Die Banalität einer Anekdote aus dem Leben, wird schlussendlich die Besonderheit eines Songs. Patrick Fellay betont, dass es beim Songschreiben nicht um eine Reproduktion von Emotionen in einem Massstab geht. Liedertexte sind nicht 1:1 zu verstehen, wir verschieben den Inhalt auf eine andere Ebene.
Im Verlauf des Interviews kommen wir auf den Sinn der Kunst zu sprechen. Für den Sänger geht es darum, Verbindungen zu knüpfen. „Ich bin aufgewachsen mit dem Bewusstsein, dass man im Grunde alleine lebt und alleine stirbt. Jetzt verfolge ich eine weniger radikale Vision des Lebens. Wir sind alle Robinson Crusos auf Halbinseln. Alle Menschen, die den Kontakt mit uns suchen und uns persönlich berühren, sind wie Brückenbauer zwischen den Territorien. Auf der Bühne suche ich genau das; Wege zwischen den Inseln.“
Der Künstler kann etwas vorschlagen. Das Publikum steigt darauf ein oder auch nicht. Fellay findet, dass man Künstlern auf der Bühne zu viel Bedeutung beimisst. „Als Zuschauer bin ich selbst nicht sehr diszipliniert, obwohl ich die Musik liebe. Der Zuhörer hat die Freiheit nur die Hälfte eines Konzerts zu hören. Wir laden diejenigen, die uns zuhören dazu ein, 50% der Arbeit zu übernehmen. Sie können sich den Song aneignen oder damit machen, was ihnen passend erscheint. Manchmal hätte ich nach einem Konzert mehr Lust, dem Publikum zu applaudieren, weil es so gut zugehört hat, als Applaus entgegenzunehmen.“
Patrick Fellay arbeitet zurzeit an einem neuen Projekt für Charlotte Peut-être. Charlotte Peut-être ist ein musikalischer Seitensprung von Charlotte Parfois. Ein erstes Album mit dem Titel „Ghost Track“ wurde bereits aufgenommen. Ein zweites ist in Arbeit. Die Musiker von Charlotte Parfois sind selbstverständlich im Projekt involviert.
Kontakt
Erschienen: Juli 2015
Text: Marlène Mauris
Fotos: ©