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Das feine Gespür für Linien
Wir treffen die Illustratorin Barbara Seiler in ihrem Atelier Seilerkreativ in Glis. Den Arbeitsraum teilt sie sich mit ihrer Mutter Lilian, die kunsthandwerklich tätig ist. Mit verhaltenen Gesten zeigt sie uns ihr Reich. Skizzen an den Wänden erlauben einen Einblick auf ihre Sicht der Dinge. Auf dem Schreibtisch stapeln sich Bücher, Broschüren und Zeichnungsblätter geziert mit ihren Illustrationen. Fast erwartet man, dass der Schöpferin dieser Wesen und Welten etwas Traumwandlerisches anhaften müsste. Aber dem ist nicht so. Vor uns steht eine junge Frau mit festem, wachem Blick. Sie hat ein Gesicht, das anmutet eine tiefe Innerlichkeit zu verbergen. Ihre Art zu sprechen ist leise. Angenehm. Und wenn sie ihre Geschichten nicht zeichnen würde, so könnte man ihr auch zuhören. Stundenlang.
Sie nimmt jetzt einen Stift zur Hand und zeigt uns wie sie arbeitet. Kaum zieht sie einige wenige Linien, verweben sich diese zu einer belebten Szenerie. Ihre Freude am Zeichnen begleitet sie seit Kindertagen. Leere Blätter füllten sich schon damals im Nu. „Beim Zeichnen kommt etwas an die Oberfläche, das bis dahin in einem geruht hat. Das ist ein sehr persönlicher Vorgang“, sagt die junge Künstlerin. Als Kind wollte sie deshalb nicht, dass sich andere ihre Zeichnungen ansahen. „Wenn meine Mutter nicht einige Exemplare gerettet hätte, gäbe es wohl keine Kinderzeichnungen von mir“, lacht sie. Inzwischen hat sich das zum Glück geändert und es ist zu ihrer Passion geworden, Erdachtes, Erlebtes und Geträumtes aufs Papier zu bringen und mit der Öffentlichkeit zu teilen.
Barbara Seiler hat ihr Handwerk von der Pike auf gelernt. Die profunde Ausbildung zusammen mit ihrer unbestrittenen Begabung machen ihre Arbeiten zu dem was sie sind: Meisterwerke. Nach einer Lehre als Polygrafin und dem Erhalt der gestalterischen Berufsmatura entschied sie sich, Illustratorin zu werden. In der Schweiz wird die einzige anerkannte Ausbildung für Illustratoren/-innen von der Hochschule in Luzern angeboten. Jedes Jahr bewerben sich zwischen 120 und 150 junge Leute für dieses Bachelor-Studium. Je 15 von ihnen können die Ausbildung in den beiden Vertiefungsrichtungen Nonfiction und Fiction in Angriff nehmen. Wer hier aufgenommen wird, hat also schon einiges drauf. Barbara Seiler gehört zu ihnen. „Illustratoren sind oftmals Einzelkämpfer. Ich glaube, alle Studierenden dieses Lehrgangs mussten sich zu Beginn der Ausbildung erst einmal an die Situation gewöhnen, nicht im stillen Kämmerlein zu zeichnen“, spricht sie über die ersten Monate in Luzern. 2015 hat sie die Ausbildung zur Illustratorin abgeschlossen.
Die kreative Persönlichkeit hat aber auch eine realistische Seite. Illustratoren und Illustratorinnen bewegen sich auf hartem Pflaster. Da ist es gut, sich ein zweites Standbein zu schaffen. So arbeitet die Gliserin zurzeit 50 Prozent als Polygrafin in einem Medienunternehmen. In der übrigen Zeit treibt sie ihre eigenen Projekte voran. 2017 erschien ihr erstes Bilderbuch. „Mein Opa ist ein Bär“ zeichnet sich durch ihr feines Gespür für die kindliche Wahrnehmung aus. Barbara Seiler vermag das für Kinder Unsagbare und verborgene Seelenzustände in Bildern auszudrücken. Es ist diese feierliche, kindliche Ernsthaftigkeit, die hinter den schalkhaften Bildern aufscheint, die ihr Bilderbuch zu einem anrührenden Werk macht.
Barbara Seiler mag sich aber nicht nur auf Illustrationen für Kinder beschränken. Sie illustriert politische Themen, Buchumschläge von Romanen, Zeitungsartikel und vieles mehr. „Das Thema muss mich interessieren und ich muss dahinter stehen können“, erklärt sie ihre Auswahlkriterien. Die 28-Jährige hat auch schon kurze Animationsfilme und Computerspiele kreiert. „Ich würde sehr gerne die vielen Levels eines Computerspiels gestalten“, spricht sie über ihre Zukunftsprojekte. Die begabte Illustratorin wurde von der Post für die Gestaltung einer Briefmarke zum Thema Schweizer Berghilfe angefragt. Am 1. März 2018 ist der Ausgabetag. Ein Ritterschlag für Barbara Seiler.
Die freischaffende Künstlerin hegt keinen Zweifel daran, dass die handgezogenen Linien auch in Zukunft gefragt sein werden. „Nach den oftmals allzu perfekten Darstellungen von Photoshop und anderen digitalen Hilfsmitteln, stelle ich wieder ein Bedürfnis nach Handgezeichnetem fest." Sagt es und lässt dabei vor unseren Augen ein geheimnisvolles Wesen entstehen.
Erschienen: Februar 2018
Text: Nathalie Benelli
Fotos: © Diana Pfammatter