Der Begriff der inklusiven Kultur nimmt zunehmend an Tragweite an. Doch was ist damit genau gemeint? Olivier Musy, Direktor der Abteilung Soziales bei Emera, klärt uns im Blog darüber auf und gibt hilfreiche Hinweise!
Der Begriff der inklusiven Kultur nimmt zunehmend an Tragweite an. Doch was ist damit genau gemeint? Olivier Musy, Direktor der Abteilung Soziales bei Emera, klärt uns im Blog darüber auf und gibt hilfreiche Hinweise!
"Inklusive Kultur ist weit mehr als eine Modeerscheinung. Es ist eine Leitlinie, die alle Bereiche der Gesellschaft durchdringt. Es geht darum, die Bedürfnisse aller Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen und jedem Menschen die Möglichkeit zu geben, alle gesellschaftlichen Dienstleistungen und Aktivitäten in Anspruch zu nehmen. Inklusion bedeutet 'alle Menschen einzubeziehen'. Und inklusive Kultur bedeutet ganz einfach 'Kultur für alle'."
"In der Theorie sind die Grundlagen für Menschen mit Behinderungen bereits gelegt. Es gibt Gesetze und Normen, welche die bauliche Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen zu Infrastrukturen definieren. Darüber hinasu verfügt die von der Schweiz ratifizierte UNO-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen über einen eigenen Artikel über den Zugang zu kulturellen Angeboten. In der Praxis gibt es jedoch immer noch zahlreiche Hindernisse, die es Menschen mit Behinderungen verunmöglichen, Zugang zu kulturellen Angeboten zu erhalten: architektonische Barrieren, die Unmöglichkeit, Informationen/Inhalte zu lesen oder zu verstehen, Orientierungsschwierigkeiten, fehlende Unterstützung usw. Die meisten Menschen mit Behinderungen sind jedoch nicht in der Lage, sich in der Lage zu fühlen, sich zu orientieren."
"Mit einfachen und kostengünstigen Mitteln können Kulturinstitutionen viel bewegen. Die verbesserte Zugänglichkeit, die Sie umsetzen, kommt nicht nur den direkt Betroffenen zugute, sondern auch weiteren Publika! Beispielsweise erleichtern rollstuhlgerechte Einrichtungen auch Senioren oder Familien mit Kinderwagen den Eintritt. Kommunikation in ‘leichter Sprache’ ist auch für Personen besser zugänglich, die nicht gut Deutsch sprechen. Und wer würde sich über einen aufmerksameren Empfang oder eine klarere Beschilderung in einem Museum beschweren? Zahlreiche Erfahrungen haben die Vorteile dieses Ansatzes gezeigt, und es ist kein Zufall, dass sich rund 100 Schweizer Institutionen für den sehr umfassenden Ansatz des Labels "Kultur inklusiv" von Pro Infirmis entschieden haben."
"Für die Führungsperson einer kulturellen Einrichtung ist das Feld der Interventionen breit und kann Angst machen. Wie kann man sein Angebot an die verschiedenen Arten von Behinderungen anpassen, wie kann man auf so spezielle Bedürfnisse eingehen, ohne zu viel Zeit zu verlieren oder das Ziel zu verfehlen? Zugegebenermassen bedarf der anfängliche Spatenstich, um einen solchen Prozess ins Rollen zu bringen, ein gewisses Mass an Engagement. Aber es gibt Werkzeuge und Ressourcen, um sich begleiten zu lassen.
Die Fachstelle Kultur inklusiv von Pro Infirmis bietet wirksame Wegweiser für Kulturschaffende. So gibt es den Wegweiser für inklusive Veranstaltungen in den darstellenden Künsten (Theater, Tanz und Musik) für ein Publikum mit und ohne Behinderungen. Darin sind hilfreiche Massnahmen für weit verbreitete Behinderungsarten (Hör-, Seh- und Bewegungsbehinderung, geistige Behinderung, psychische Störung, Alter) aufgelistet.
Auch spezialisierte Vereine und Verbände, die mit dem betroffenen Publikum arbeiten, können eine wertvolle Hilfe sein, um eine Bestandsaufnahme zu machen und die ersten Weichen für einen inklusiven Ansatz zu stellen. Schliesslich sind die von Kultur Wallis angebotenen Weiterbildungen zu diesem Thema der ideale Ort, um sich zu informieren, mit Expert*innen zu diskutieren und sich mit anderen Kulturverantwortlichen auszutauschen. Die inklusive Kultur ist auf dem Vormarsch. Ich hoffe, dass die Walliser Kulturstätten diese Gelegenheit nutzen werden, um den Empfang ihrer Besucher*innen zu verbessern und sich neuen Publikumssegmenten zu öffnen!"
Autor
Olivier Musy, Direktor der Abteilung Soziales, Emera
Pro Infirmis
Fachstelle Kultur Inklusiv, mit Beratungen für kulturelle Institutionen : www.kulturinklusiv.ch
Spezialisten
Westschweiz: id-geo.ch
Deutschschweiz: www.sensability.ch
Bilder
Bild 1: ©Alain Wicht
In die französische Gebärdensprache (LSF) übersetzte Aufführung für gehörlose Zuschauerinnen und Zuschauer. Die Übersetzung in Gebärdensprache erfolgt durch den Verein Ecoute Voir, der mit Theatern und Theatergruppen in der ganzen Westschweiz zusammenarbeitet.
Bild 2: ©Guillaume Mégevand
Eine Zuschauerin mit Sehbehinderung hört eine Audiodeskription der visuellen Elemente einer Aufführung. Die Audiodeskription wird von der Vereinigung Ecoute Voir erstellt, die mit Theatern und Theatergruppen in der ganzen Westschweiz zusammenarbeitet.
Bild 3: ©Laténium - Manesse
Manesse: Expertinnen und Experten mit und ohne psychische Beeinträchtigung erkunden das archäologische Museum Laténium. Sie erstellen einen Führer durch die Dauerausstellung in leicht lesbarem und verständlichem Französisch (FALC).
Bild 4: ©Fachstelle Kultur Inklusiv
Treffen 2020 der Abteilung Kultur Inklusiv von Pro Infirmis im Théâtre Le Reflet in Vevey. Präsentation verschiedener Massnahmen für den Zugang zu Inhalten für Zuschauerinnen und Zuschauer mit Seh- oder Hörbehinderungen: Audiodeskription, Ergänzung gesprochener Sprache (LPC), Übersetzung in französischer Gebärdensprachen (LSF).