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Stephan Hermann wählt seine Worte mit Bedacht. Lieber ein Wort zu wenig als eins zu viel. Aber er nimmt sich Zeit, viel Zeit. Und allmählich entwickelt sich das Erzählte zu etwas Kraftvollem. Es scheint, als habe er längst verinnerlicht, dass man Gespräche nicht schnell führen kann. Als Dokumentarfilmer versteht er sich aufs Zuhören. Sein ehrliches Interesse am Gegenüber lässt den Porträtierten viel Raum. „Bis Menschen von dem sprechen, was sie wirklich bewegt, dauert es oftmals lange“, sagt der Filmemacher, Historiker und Ethnologe. Doch plötzlich geht was, wächst was, wird was. „Das ist der Moment, in dem du nur noch auf den Aufnahmeknopf drücken musst.“ Stephan Hermann nutzt die Kamera als Medium, um Geschichten zu erzählen. So wurde einer zum Chronisten der menschlichen Würde, der für sich keine grossen Worte in Anspruch nimmt. Diese Entwicklung hat aber gedauert. Doch eins nach dem anderen.
In seinen Studienjahren war für Stephan Hermann noch völlig unklar, in welche Richtung sein Weg gehen sollte. Für seine Masterarbeit beschäftigte er sich mit dem Wandel im Berggebiet. Als Anschauungsobjekt dienten ihm die Heimatdörfer seiner Vorfahren – Albinen und Erschmatt. „Die Welt meiner Grossmutter schien mir genauso interessant wie die der Aborigines, der Ureinwohner Australiens. Das Fremde im Bekannten faszinierte mich.“ Die Diskrepanz zwischen dem Entfremdetsein von der Art und Weise wie seine Ahnen gelebt hatten und dem Vertrauten seiner Wurzeln, weckte sein Interesse. Als „Ethnologie im Mikrokosmos“, bezeichnet der Sustner sein Forschungsfeld. Daraus entstanden die „Lebendige Geschichten“, seine ersten Dokumentarfilme gegen das Vergessen. Der Zugang zu den Zeitzeugen von damals, gestaltete sich für ihn einfach. „Manchmal klopfte ich spontan an die Türe und stellte mich als der ‹Sohn vam Blanki› vor“, erzählt Stephan Hermann. Das genügte, um Zugang zu den verborgenen Geschichten zu erhalten. „Wieso jemand bereit ist, mit mir über sehr persönliche Dinge zu sprechen, kann ich selbst nicht genau erklären. Manchmal schafft Vertrauen magische Momente.“
Nach dem Studium gründete Stephan Hermann mit Philipp Eyer das Filmatelier „Coupdoeil“ in Bern. Schon bald wurde man hüben und drüben der Kantonsgrenzen auf das respektvolle Werk des Wallisers aufmerksam. Immer mehr Organisationen und Firmen klopften bei Stephan Hermann an, damit er für sie Konzepte entwarf und sie bei der audiovisuellen Kommunikation unterstützte. „Ich arbeite wie ich koche“, sagt Stephan Hermann lachend. „Ich gehe nicht mit einer vorgefassten Idee an die Dinge heran. Zuerst schaue ich, was ich vorfinde und dann überlege ich, was daraus entstehen könnte.“ Diese Arbeitsweise bedingt ein ständiges Sicheinlassen auf das Vorhandene. Nicht nur bei der Realisierung der Kampagne für die Schweizer Flüchtlingshilfe kam ihm diese Haltung entgegen. Bei dieser Arbeit sitzt er Menschen gegenüber, die von dort weggingen, wo viele aufgaben, wo nichts mehr zu retten war. Er trifft auf Frauen und Männer, die traumatische Erlebnisse zu verarbeiten haben. Ein bis zwei Minuten dauern die Filme der Schweizer Flüchtlingshilfe. Um in diesen 120 Sekunden einen Einblick in das Leben der Vertriebenen zu ermöglichen, spricht Stephan Hermann manchmal drei bis vier Stunden mit ihnen. Was dann in den sozialen Medien zu sehen ist, ist eine Verdichtung des Gesagten. Authentische Augenblicke, die andere Bilder in den Köpfen der Zuschauer entstehen lassen als jene, welche sie vielleicht in ihren Köpfen schon gespeichert haben. Rund 300‘000 Menschen haben sich die Filme zur Flüchtlingsthematik bereits angeschaut. „Das gibt mir das Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit etwas bewegen kann“, sagt der engagierte Filmemacher. Um gleich darauf zu relativieren: “Vielleicht aber auch nicht.“ Ob es ein Zufall sei, dass er sich oftmals mit sozialen Themen beschäftige, wollten wir wissen. „Ich suche das nicht bewusst. Aber ich denke, es ist ein Privileg, wenn man seine Arbeit als sinnvoll empfindet“, sagt Stephan Hermann ernst. „Der spannendste Ort in einer Gesellschaft ist dort, wo man an Grenzen stösst. Menschen dazu zu bewegen, die Komfortzone zu verlassen und etwas mehr Offenheit in ihr Leben zu lassen, ist eine Herausforderung, die ich gerne annehme.“
Neben den vielen Auftragsfilmen würde Stephan Hermann gerne einen längeren Dokumentarfilm drehen. Der Autobahnbau im Wallis wäre für ihn ein idealer Schauplatz, um über Wandel, Traditionen und Moderne zu sinnieren. „Ein Gedankenprozess, der noch reifen muss.“
Stephan Hermann spricht erst nach Längerem von seiner Leidenschaft für die Musik und darüber, dass er sich das Spielen mehrerer Instrumente selber beigebracht hat wie so vieles in seiner beruflichen Tätigkeit auch. Noch länger dauert es, bis er seinen Rückzugsort, einen Rebberg bei Leuk erwähnt. Hier bewirtschaftet er die Reben, deren Triebe schon sein Grossvater und sein Vater kultiviert haben. Ein Ort mit Geschichte. Manchmal dauert es eben lange, bis Menschen von dem sprechen, was sie berührt.
Text: Nathalie Benelli
Foto: Diana Pfammatter
Erschienen am:07.01.2019
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